Goethestraße: Wo die weißen Villen stehen

In der Goethestraße leben die Leute in schönen Villen. Hier liegt die wohlhabende Ader unserer Stadt.

Im Oktober 1982 schreibt die Dewezet: „Allmählich wurde die Goethestraße die Keimzelle eines Villenviertels mit Straßennamen nach deutschen Dichtern. Es sind dort im Laufe der Zeit zahlreiche schmucke Gebäude inmitten reich bepflanzter und gepflegter Gärten entstanden“. Noch heute ist die Goethestraße eine grüne Lunge mit sicherem Stil. Eine wohlhabende Ader im Herzkreislauf unserer Stadt. Entstanden als „Projekt Chaussee“ im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, ist sie heute eine gerade Linie, an deren Seiten sich Anwälte, Architekten, Versicherungsberater und Werbemacher – Wohlhabende angesiedelt haben.

Rechtsberatung mit Stil: Sylvia Reuter Ahrend liebt das Gefühl, am Morgen in die alte Villa zu kommen. Foto: nin

In der Goethestraße arbeitet und lebt es sich auf gehobenem Niveau. Ein Hauch von Dichtern und Denkern schwirrt noch immer über den Dächern der Häuser und umgibt sie mit einem besonderen Flair: Man spürt, dass dieser Ort sich schön und schier halten will. Die Verkehrsregelung als Einbahnstraße tut ihr Übriges, um der Allee aus weißen Villen und grünen Kastanien die nötige Ruhe und Vornehmheit zu sichern. In einem Haus recht nah am Anfang der Goethestraße grüßt eine Justitia aus dem Erker. „Das war früher schon so, dass man gesagt hat, Goethestraße ist toll. Das ist einfach eine schöne Adresse“, sagt Sylvia Reuter-Ahrend. Sie und ihr Mann haben eine Rechtsberatung in der Straße.

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Neustart in der Stadtvilla

Oben wohnt Getrud Hellmann. Seit über einem Jahrzehnt genießt sie die Vorzüge ihres neuen Zuhauses. „Ich habe vor 12 Jahren gesagt, ‚also in der Goethestraße würde ich gerne mal wohnen’. Ich bereue es keine Minute“, sagt die 77-Jährige mit dem Stimmklang einer halb so alten Frau.

Puzzeln mit viel Platz: Vor zwölf Jahren zieht Gertrud Hellmann in die Goethestraße. Zwar teurer, aber auch schöner, findet sie. Foto: nin

Als ihr Mann starb und das Haus am Rotenberg zu groß wurde, „bin ich ganz Hameln mit Freunden durchlaufen“, um etwas Neues zu finden. „Löcher habe ich mir angesehen.“ Als sie dann durch eine Annonce in der Dewezet auf die Stadtvilla stieß, hat sie gleich gesagt: „Die nehme ich!“ Mal müsse man ja schließlich auch in „ein Glückstöpfchen“ treten. Freunde rieten Hellmann, „warte ab“, „zu teuer“. Hellmann fragte ihren Finanzberater und war überzeugt „das kann ich mir leisten“. Von einem eigenen Haus „auf ganz klein“ – nicht vorstellbar für die ältere Dame. 125 Quadratmeter mit mehreren Balkonen sind das Ergebnis. Hier hat sie sich gleich heimisch gefühlt, „Hameln ist ja wunderschön.“

Solide und schöne Bauten

„Es gibt, glaub ich, hier drei Porsche“, sagt ein Mann, der ein Stück weiter die Straße rauf an seine Eingangstür tritt. Er trägt ein dezentes Schmunzeln auf seinem Gesicht und bevorzugt es, nicht genannt zu werden. „Eine ganz schöne Straße“ sei das. „Seien Sie gut zu ihr, wenn Sie darüber schreiben“, sagt er. Damals habe er zu seiner Frau gesagt: „Wenn wir mal nach Hameln ziehen – wohin? Ja, hierhin.“ Er mag die Häuserarchitektur, die in den Dreißigern gebaut wurden, „die Parkettfußböden und die großen Schiebetüren“. Schließt man die Pforte zu seinem Grundstück, riecht es noch fruchtig nach den Dingen aus dem liebevoll bepflanzten Vorgarten.

Joachim Schmidt (48) hat sich seinen Lebensmittelpunkt und den seiner Familie in dem alten Pfarrhaus von 1912 eingerichtet. In die massigen, schweren Hallen hat er Weite und Leichtigkeit gebracht. Sechs Monate Kernsanierung. Als er und seine Frau das Haus 2007 kauften, wussten beide, „man könnte sich so’n Traum draus machen“. Die alten, großen, massiven Holztüren, die großen Fenster, das Podest in der Eingangshalle – nicht alles rausreißen, erhalten, das war beiden wichtig. Das Haus, es hat „was Anheimelndes, Romantisches. Als ob hier die Zeit stillsteht“, und, sagt Schmidt, hier habe früher eine gute Seele gewohnt, die heute noch den Mauern inne sei, das würde man fühlen. Das Haus strahle eine Friedlichkeit aus, findet er.

Imagepflege aus der Goethestraße: Joachim Schmidt vereint Familienleben und Agenturalltag in einer alten Pastorenvilla in der Goethestraße. Foto: nin

Schmidt verkauft „gute Kommunikation“. Über die Räume von Shimoto, seiner Agentur, die er im Erdgeschoss des Hauses eingerichtet hat, sagt Schmidt, „hier ist kreatives Arbeiten möglich“. Mittendrin entspringt eine massive Holztreppe und führt nach oben, wo Schmidt, Frau und Tochter leben. In die Goethestraße kamen sie eigentlich durch das, was ein Freund „Immobilientourismus“ nennen würde, sagt Schmidt. Aus „eigentlich wollte ich nur mal gucken“ wurde „das ist es“. „Ich bin als Kind hier durchgelaufen – beeindruckend. Ich hätte nie gedacht, dass ich hier mal wohnen kann.“

Die Geschichte der Straße

Die „Neue Holtenser Chaussee“ wird 1907 zur Goethestraße. Von 1904 stammt die Allee rotblühender Kastanien. Das erste Haus, die „Türmchen-Villa“, lässt der Hamelner Juwelier Kindermann 1904 erbauen. Als Wirt Schlieker (Hotel zur Sonne) das Haus 1924 kauft, wird daraus die „Schlieker-Villa“ und schließlich das „Haus Sonne“. In den Achtziger Jahren fordern einige Holtenser den Ausbau der Goethestraße zu einer Hauptdurchgangsstraße. Dazu kommt es nicht.

Nachgezählt

  • 354 Meter lang
  • 106 Anwohner
  • 1-28 Hausnummern
  • 26 Gewerbe
  • 3 Hunde
  • 40 Bäume
  • 11 wirklich weiße Häuser
  • 2 sichtbare Alarmanlagen
  • 4 teure Autos
  • 9 Gewerbeschilder
  • 18 Parkbuchten
  • 31 Verkehrsschilder
  • 2 Stoppschilder
  • 1 Einbahnstraßenschild
  • 3 abgehende Straßen
  • 1 Wappen an Haus Sonne
  • 20 Laternen

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