Petersburg: Die unbekannte Herkunft

Die Petersburg ist eine Straße, die viele Fragen aufwirft.

Würde ein Ortsfremder einen Hastenbecker fragen, wo in Hastenbeck er denn wohne, und der Hastenbecker würde antworten „auf der Petersburg“ – das Gegenüber würde wohl denken, einem Schlossherren begegnet zu sein. Tatsächlich ist die Petersburg allerdings eine Straße – als eine der längsten Straßen des Ortes kreuzt sie ihn von Westen nach Osten. Die Häuser der Petersburg sind bunt gemischt. Stammen einige aus den 80er Jahren, haben andere über 100 Jahre auf dem Buckel.

So wie das Haus von Patricia und Michael Hiersemann. Seit mehreren Jahren renovieren sie ihr Eigenheim auf drei Etagen. „Jetzt fehlt nur noch das Kinderzimmer und dann sind wir endlich fertig“, sagt Hiersemann. Und das Kinderzimmer ist wichtig. Denn in ein paar Wochen hat die Petersburg einen weiteren Anwohner. „Wir wissen, dass es ein Junge wird“, verrät Hiersemann. Schon bald nach den derzeitigen Zeugnisferien geht die 33-Jährige in den Mutterschutz. Ihre Arbeit wird sie dabei jedoch nie aus den Augen verlieren. Denn sie liegt direkt gegenüber. Hiersemann ist Lehrerin einer 2. Klasse an der örtlichen Grundschule. Dass die Grundschule direkt auf der anderen Straßenseite liegt und eine ihrer Schülerinnen sogar ihre direkte Nachbarin ist, findet Hiersemann gut. „Man ist mitten im Leben und so ist hier immer etwas los.“

Bald gibt es auf der Petersburg einen neuen Anwohner: Patricia Hiersemann (33) erwartet ihr erstes Kind.

Die Schule an der gleichen Straße? Darin sieht auch Beate Schaper nur Vorteile. Ihre zwei Kinder sind zwar mittlerweile aus dem Grundschulalter raus, aber früher sei der kurze Schulweg sehr praktisch gewesen. Pausenbrote vergessen war da nicht drin. Seit 1995 wohnt Schaper auf der Petersburg, vorher lebte sie in Marienau. „Das Verhältnis zu den Nachbarn ist gut. Besonders durch die Kinder hat man viel Kontakt und es haben sich Freundschaften entwickelt“, sagt Schaper. Zur Familie gehört seit etwa sieben Jahren auch Hund Kalle. Als kleiner Welpe von der Straße nahm die Familie ihn auf. „Wir wussten damals nicht, wie groß er mal werden würde. Nun ist er halt etwas größer geworden“, sagt Schaper und streichelt über das helle Fell des Mischlings. Für den Familienhund ist wohl die direkte Nähe zur Feldmark der größte Vorteil der Straße. „Insgesamt ist es sehr schön, hier zu leben. Es ist ein schönes Dorfleben und es gibt immer mal wieder Veranstaltungen wie ein Weinfest oder einen bayerischen Abend“, erklärt die 50-Jährige.

Ein paar Dinge fehlen

Steffi Hartmann fehlt jedoch manchmal eine Kleinigkeit. „Ein Straßenfest. Wie ich es aus meiner Heimat kenne. Das wäre toll“, wünscht sich die 34-Jährige. Sonst könne sie sich aber über nichts beschweren. „Wir haben keine Probleme mit den Nachbarn, es ist ruhig gelegen.“ Auf der Petersburg zu wohnen, sei „voll cool“ – so bezeichnet es zumindest die dreijährige Tochter von Hartmann. Hartmann, die eigentlich aus Hoyerswerda stammt, wohnt seit 15 Jahren auf der Petersburg. „Nach der Wende wollte ich etwas Neues erleben, eine andere Perspektive – und bin dann letztendlich nach Hastenbeck gekommen“, erzählt Hartmann. Im Haus wohnt auch Hartmanns Schwiegermutter Irmgard Berke. „Wenn manche erzählen, dass es mit zwei Generationen unter einem Dach nicht funktionieren kann – das ist Quatsch, bei uns funktioniert das wunderbar“, freut sich Hartmann und nimmt ihre Schwiegermutter herzlich in den Arm.

Einem Straßenfest, wie Hartmann es sich wünscht, steht eigentlich nichts im Wege. Auch andere Anwohner der Petersburg haben diese Idee im Kopf. Patricia Hiersemann erzählt: „In der Weihnachtszeit haben wir beim lebendigen Adventskalender mitgemacht. Wir hatten an die 50 Leute hier bei uns. Und da haben wir überlegt, dass doch so was wie ein Straßenfest auch mal toll wäre.“ Interesse an einem Fest ist also schon mal da – fehlen nur noch die Organisatoren.

Und wenn es in Zukunft vielleicht irgendwann ein Straßenfest auf der Petersburg geben sollte, dann gäbe es auch schon ein Gesprächsthema. Denn was weder Hiersemann noch Schaper, Hartmann oder Berke beantworten können: Warum heißt die Petersburg Petersburg? „Wir wandern an Vatertag manchmal die Straße rauf zu Resten einer Burg. Ist das vielleicht die Petersburg?“, fragt sich Hartmann. Nach kurzer Überlegung gemeinsam mit der Schwiegermutter jedoch die Ernüchterung: „Nein, das ist die Obensburg.“ Hat es mal eine Petersburg gegeben? Bezieht sich der Name vielleicht auf eine Stadt namens Petersburg Gar auf St. Petersburg? Auch Anwohner, die bereits seit vielen Jahren an der Straße wohnen, können die Frage nicht beantworten.

Es bleibt ein Geheimnis

Hastenbeck wurde bekannt durch die Schlacht im Jahr 1757 und auch das Schloss Hastenbeck. Eine Petersburg kommt in keiner der Überlieferungen vor. Auch im Edgar-Wallace Film „Der unheimliche Mönch“, der in Teilen auf Schloss Hastenbeck gedreht wurde, ist von keiner Petersburg die Rede. Und auch im Archiv der Stadt gibt es keine Informationen. „Hastenbeck wurde 1973 eingemeindet. Wir haben dementsprechend keine Infos, wie, wann oder wieso diese Straße benannt wurde“, so eine Sprecherin der Stadt.

Die Geschichte der Straße

Hastenbeck – in alten Urkunden als Hastenbike oder Hastenbeke bezeichnet – wird erstmals im Jahre 1197 erwähnt und hat durch verschiedene Geschichten Berühmtheit erlangt. Die Vergangenheit und Geschichte des Ortes ist eng mit der des Schlosses verknüpft. Bekannt Hastenbeck aber eher durch die „Schlacht bei Hastenbeck“ im Jahr 1757. Das Dorf wurde während der damaligen Kämpfe bis auf die Kirche, das Pfarrhaus und das Guthaus total zerstört. Auch war Hastenbeck, vielmehr das Schloss Hastenbeck, Drehort für den Edgar-Wallace-Film „Der unheimliche Mönch“, der 1965 erschien.

Nachgezählt

  • 154 gemeldete Anwohner
  • davon 84 weiblich und 70 männlich
  • in der Straße wohnen 35 Kinder
  • 6 Hunde gemeldet
  • 12 gemeldete Gewerbe
  • die Hausnummern reichen von 1 bis 55, wobei zahlreiche Hausnummern ausgelassen werden
  • etwas 800 Meter lang
  • 1 Bushaltestelle
  • 1 Kreuzung

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