Sie ist wohl eine der bekanntesten Straßen Hamelns: die Bäckerstraße. Täglich schlendern hier Einheimische und Touristen – und wissen meist gar nicht, dass sie auf einer Rekordstraße flanieren. Erstmals erwähnt wird die Bäckerstraße nämlich zwischen 1267 und 1288. Das ist die älteste bekannte Überlieferung eines Hamelner Straßennamens. Nachzulesen ist das in „Hamelner Straßen“, erschienen im CW Niemeyer Verlag. Quetschte sich früher noch der gesamte Stadtverkehr an den historischen Häusern vorbei, wird die nach dem Berufsstand benannte Straße heute als Fußgängerzone und Einkaufsmeile genutzt. Tür an Tür reihen sich Bekleidungsgeschäfte, Optiker, Bäcker und Restaurants.

Im regen Wechsel kommen immer wieder neue Geschäfte hinzu, andere schließen oder ziehen innerhalb der Straße um. Aber die Bäckerstraße ist nicht nur die Shopping-Meile der Stadt. Sie ist auch Wohnraum, Zuhause für 193 Anwohner. Doch wie lebt es sich mitten in der Innenstadt? Wenn direkt vor der eigenen Haustür das bunte Stadtleben beginnt? „Nach zwei Jahren nicht mehr so gut“, sagt Moritz P. Er wohnt, zusammen mit seiner Freundin und zwei Katzen, in einem sanierten Altbau hoch über der Bäckerstraße. Aus dem Wohnzimmerfenster blickt man mitten in die Fußgängerzone, von der anderen Seite der Wohnung sieht man bis zur Weser.

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„Die Wohnung ist klasse“, sagt P. und deutet auf den alten Stuck und die abgetretenen Dielen. Er schätzt den Charme des Altbaus. „In der Nachbarwohnung haben sie über die schönen alten Dielen einfach Laminat gelegt“, erzählt P. und schüttelt verständnislos den Kopf. Auch wenn es ihm beim Einzug natürlich bewusst gewesen sei: Mittlerweile störe ihn die direkte Lage in der Innenstadt. „Man hat einfach nie das Gefühl, allein zu sein.“ Stimmengewirr, Alltagsgeräusche, Gesprächsfetzen: irgendwas schalle immer nach oben. Besonders zu Zeiten des Pflasterfestes sei es schlimm. „Dann kann man sich in diesem Raum nicht unterhalten, dann vibrieren die Scheiben“, sagt der Tätowierer.
Geschichte der Bäckerstraße in Hameln


Benannt ist die Straße nach der Bäckerinnung, die für die Mühlenstadt eine große Bedeutung hatte. Lange Zeit – bevor es den Kastanien- und Ostertorwall gab – wurde der gesamte Hamelner Verkehr über die Bäckerstraße und auch die Osterstraße geleitet. Als einen herausragenden Einsatz in der Historie der Feuerwehr Hameln wertet diese ein Großfeuer von 1971. Damals brannte „Lederwaren Möller“ an der Bäckerstraße 14 nieder. Es entstand ein Sachschaden von 300 000 Mark. Es war Brandstiftung.
Die Feste in der Innenstadt findet er aber trotzdem gut: „Dann wird endlich mal was für die jungen Leute gemacht.“ Der Vorteil, in der Bäckerstraße zu wohnen? „Man gibt mehr Geld aus. Das ist ein Vorteil für die Stadt“, erklärt der 28-Jährige und lacht. Das Telefon sei schnell zur Hand, Essen bestellt oder auch mal eben um die Ecke geholt. In absehbarer Zeit möchte P., der eigentlich aus Wallensen stammt, wieder aufs Dorf ziehen. „Irgendwo in den Norden, Richtung Hamburg“, sagt er.
Aus dem Norden kommen August Becker und seine Frau Helga Hartmann

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Den „waschechten Ostfriesen“ – wie er selber sagt – und seine Frau hat es vor zehn Jahren nach Hameln verschlagen. Früher hat Hartmann jahrelang auf Baltrum gelebt. „Wir haben uns in Bad Pyrmont kennengelernt und sind zusammen nach Hameln gezogen“, erklärt Hartmann. Dies ist ihre erste gemeinsame Wohnung. In der Bäckerstraße, im Herzen der Stadt, sozusagen am Nabel der Zeit, wohnt es sich laut dem Ehepaar „manchmal schön, manchmal nicht so schön.“

Die Lautstärke sei unumstritten das, was am meisten störe. „Die nächtlichen Heimkehrer, die dann auch noch laut singen müssen. Das hört man natürlich.“ Das Schlafzimmer des Ehepaares geht zur Bäckerstraße hinaus. „Da wird man natürlich wach und kann dann erst mal nicht mehr einschlafen“, bedauert Hartmann und betont, dass sie diese Lautstärke von ihrem Leben auf der beschaulichen Nordseeinsel nicht gewohnt waren. Seit dem Abzug der Engländer sei es jedoch ruhiger geworden. Wenn im Frühjahr der Mittelaltermarkt und im Sommer das Pflasterfest stattfinden, nimmt das Ehepaar Reißaus.
Die Bäckerstraße in Zahlen
- etwa 400 Meter lang
- 193 Anwohner
- darunter 81 Männer und 90 Frauen
- Dazu kommen 22 Kinder/Jugendliche unter 18 Jahren 3 Hunde
- 133 gewerbepflichtige Unternehmen und Geschäfte – darunter vier Optiker, zwei Bäcker und fünf Mobilfunkläden
- mehr als 65 goldene RattenSymbole im Kopfsteinpflaster
- zwei leuchtende Wesersymbole Ecke Wendenstraße und Fischpfortenstraße
- 27 400 Google-Ergebnisse in 0,26 Sekunden
„Das ist einfach zu laut. Das ist eher was für die jungen Leute und das ist ja auch vollkommen in Ordnung so“, sagt Becker. Doch sonst wissen beide die zentrale Lage und die kurzen Wege zu schätzen. Zum Arzt, zum Bäcker, zum Einkaufen: überall braucht man nur ein paar Minuten. Dass sie in ihrer Altbauwohnung keinen Balkon haben, nehmen beide in Kauf. „Dafür haben wir einen Fahrstuhl, das war uns bei der Wohnungssuche damals besonders wichtig“, erklärt Hartmann. Und wenn ihnen doch mal die Decke auf den Kopf falle, sei man ja schnell an der Weser oder könne sich in eines der Cafés an der Straße setzen.

Dass es mitten im Geschehen wohnt, hat das Ehepaar spätestens bemerkt, als es zwei nächtliche Einbrüche unmittelbar miterlebt hat. „Wir haben dann natürlich sofort die Polizei gerufen“, erzählt Becker. Die Wohnung aufgrund der Umgebungslautstärke aufgeben will das Ehepaar nicht. „So lange es noch geht, bleiben wir hier“, erklärt Becker. Vor vielen Jahren schon habe er in dem Haus, in dem er jetzt wohnt, gearbeitet. „Dann bin ich aus Hameln weg und bin doch wieder hergekommen. Es gefällt mir hier einfach so gut“, sagt Becker.