„Also ich kann der Grabbestraße nicht viel abgewinnen“ ist die erste Antwort eines Anwohners auf die Frage, wie es denn so ist, in der Straße am Hang zu wohnen. Schöne Gegend, ja, aber auch der Verkehr. Wie überall halt. Statt augenfälliger Merkmale, Ecken oder Kanten hat die Straße eine lange Kurve und eine ordentliche Steigung. Die Innenseite der Kurve ist mit Einfamilienhäusern gesäumt, gegenüber stehen ein paar Mehrfamilienhäuser. Alles aus den 60er und 70er Jahren, alle gepflegt und optisch anscheinend unverändert ins Jetzt gestellt. Alle irgendwie gleich und vor allem gleich normal. Kleinbürgertum in Hanglage mit den Maßen 0-8-15. Der Max Mustermann der Straßen. Tatsächlich?

Wo das Jungvolk wohnt
Bis die Türen aufgehen. Dahinter: zufriedene Ruhesucher und rastlose Studenten. Die Grabbestraße in Klein Berkel ist beschaulich, breit und interessanter, als auf den ersten Blick zu vermuten. Unten in der Straße, da wohnt das „Jungvolk“, sagen Anwohner. Das „Jungvolk“ ist zwischen 20 und 50 und wohnt in WGs. „Eigentlich sind wir ja keine richtigen Studenten“, sagt Patrick (33). Er ist vor sieben Wochen in die Grabbestraße gezogen und in neun Wochen zieht er wieder aus. Wie seine Mitbewohner. Die Häuser unten an der Straße sind voll von Kurzzeit-Studierenden. „Wir machen bei der technischen Akademie unseren Industriemeister“, sagt Mitbewohner Vico (36).

Die Prioritäten liegen bei den Studis auf ihrem Kurs, den sie auf Anhieb schaffen wollen; „kostet ja auch Geld“. „Von der Umgebung hier kriegen wir nicht viel mit“, sagt Patrick. „Außerdem ist ja hier auch nichts – gar nichts.“ Die Ruhe, die die Älteren so schätzen, ist den Studierenden zu viel. „Immerhin ist man hier nicht abgelenkt“, sagt Jens und lacht. Der 43-Jährige radelt, wenn ihm langweilig ist – „was willste sonst hier machen“? Jens kommt aus Nordhausen, Vico aus Hamm und Patrick aus Ulm. Alle drei verlagern das Studentenleben auf Zeit nach drinnen. „Wir trinken unser Feierabendbier eben hier mit den anderen von der Schule“, sagt Vico. Das Flair der Straße beeinflussen sie so nicht. Nur ihre Autos verraten ihre Anwesenheit. „Ich glaube, die anderen Anwohner hier mögen uns sowieso nicht, weil wir hier parken“, meint Patrick.
Das Tor zu Klein Berkel
Klein Berkels Ortsbürgermeisterin und Anwohnerin der Grabbestraße, Ilona Bode-Wissmann, schätzt die Anwesenheit vom „Jungvolk“. „Die Grabbestraße ist im Laufe der Jahre, glaube ich, sogar jünger geworden ist“, sagt sie, „auch wegen der Studenten“. Jung und Alt sind irgendwie separat. In den Einfamilienhäusern die Älteren, gegenüber in Mehrfamilienhäusern die Jüngeren, meist Familien. „fast in jeder Wohnung wohnen da junge Leute“, sagt Bode-Wissmann.

Sie ist vor zehn Jahren in die Straße gezogen, weil ihr Mann den Hang so mochte. Da schafft seine Frau es mit dem Fahrrad zwar mittlerweile nicht mehr hoch, dafür kann er aber im großen Garten und unten am Spielplatz Treppen anlegen. „Das macht er gern“, sagt sie. Zuvor wohnte die Ortsbürgermeisterin auf der „jungen“ Seite der Straße in einem der Mehrfamilienhäuser. „Die Grabbestraße ist das Tor zu Klein Berkel“, sagt Bode-Wissmann. „Und das müsste besser von der Stadt gepflegt werden. Unten bleibt beim Mähen die Rasenkante dran und die Verkehrsinsel ist auch zugewachsen.“ Außerdem würden bei starkem Regen die Gullis aus der Straße gedrückt. Die schönste Straße des Ortes sei sie jedenfalls nicht. „Da gibt es schönere Plätze weiter oben auf dem Berg, von dort hat man einen tollen Blick auf Hameln.“
Weniger Probleme als früher

Ganz oben auf den Berg, das kam für Ilse Kuntze nicht infrage. „Weil es da zieht.“ Sie und ihr Mann Dieter wohnen seit 1969 in der Grabbestraße. „Damals war der Ohrberg noch frei und man hatte einen schönen Blick auf Hameln“, sagt er. Verändert habe sich die Straße in den vielen Jahren „eigentlich nicht so sehr“, findet Ilse Kuntze. Das Problem mit dem Wind gibt es nicht mehr, denn „weiter unten am Berg geht‘s“. Früher habe es häufiger mal Überschwemmungen gegeben, weil die Abwasserkanäle zu klein waren, mittlerweile sei auch das geregelt. Sogar das Wetter lässt die Grabbestraße in Ruhe.

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Die Geschichte der Straße
Die Grabbestraße wurde in den 60er Jahren bebaut. Damals gehörte Klein Berkel noch nicht zu Hameln. Erst 1972 wurde der Ort eingemeindet. Klein Berkel galt damals als Ort der betuchten, Ruhe suchenden Bürger. Vornehmlich Akademiker Ließen sich hier nieder. Heimliches Zentrum der Straße war Delius‘ Töpferei. Dort wurden kleine Figürchen hergestellt.
Nachgezählt
- 188 Einwohner (92 Frauen, 96 Männer)
- 13 Hunde
- 21 unter 18-Jährige
- 42 Hausnummern
- 14 Gewerbetreibende
- 8 gelbe Büsche
- 17 Verkehrsschilder
- 8 Sicherungskästen
- 58 Balkone
- 3 Bushaltestellen
- 39 runde Gullideckel
- 216 Meter lang