„Eine Provinzposse war das“, sagt Bernd Bruns, als er den Leserbrief in der Hand hält, den er und seine Frau im Mai 1979 an die Redaktion der Dewezet schrieben. „Hauptmannstraße hieß die Straße!“, heißt es da. „Jetzt steht da ein Schild mit der Aufschrift ,Gerhard-Hauptmann-Straße‘. Verwechslungen scheinen ausgeschlossen zu sein. Aber wir sind verwirrt.“ Warum das Ehepaar Bruns „verwirrt“ war?

Als die Stadt das „Erschließungsgebiet östlich ,Am Schöt‘“ 1973 mit Straßennamen versah, bekam die heutige Gerhart-Hauptmann-Straße zunächst den Namen Hauptmannstraße. „Angeblich, weil die Straßenschilder damals nur zwölf oder 14 Buchstaben haben durften“, sagt Bernd Bruns. 1979 „bügelte“ der Rat der Stadt Hameln „die im elektronischen Übereifer 1973 verursachten Schäden bei der Straßennamenverkürzung“ allerdings wieder aus.
Ergebnis: Die Hauptmannstraße wurde zur Gerhard-Hauptmann-Straße, mit d – während sich einer der berühmtesten deutschsprachigen Schriftsteller mit t schreibt! „Die Stadtverwaltung mit ihrem Großen Wissen“, sagt Bernd Bruns und schmunzelt wieder, „überklebte den falschen Buchstaben schließlich einfach.“ Seit 1975 wohnen Bernd und Christa Bruns im sogenannten Dichterviertel. „Am 1. Februar 1975 sind wir hier eingezogen“, erinnert sich der pensionierte Deutsch- und Französischlehrer. „Dieses Jahr haben wir 40 Jahre Provinz gefeiert – mit Freunden und kühlem Sekt“, sagt seine Frau, und beide lachen fröhlich.
Das Ehepaar Bruns hatte zuvor in Berlin gelebt, doch mit dem ersten Kind wuchs der Wunsch, in die Nähe der Großmutter zu ziehen, die zu dieser Zeit in der Hamelner Münchhausenstraße lebte. „In Hameln wurden zu dieser Zeit dringend Lehrer gesucht, da das dritte Gymnasium gerade im Aufbau war.“
Ursprünglich sollte hier ein Schwimmbad gebaut werden
Das Gebiet um die heutige Gerhart-Hauptmann-Straße gehörte der Stadt, ursprünglich sollte dort ein Schwimmbad gebaut werden, doch schließlich entschied man sich für das Süd- und gegen das Nordbad. „Das Gebiet wurde in Parzellen unterteilt und die Grundstücke städtischen Beamten und Lehrern zu einem günstigen Preis angeboten“, sagt Bernd Bruns. Innerhalb eines Jahres wurde die komplette Straße bezogen. „Damals waren alle hier um die 30, alle hatten Kinder“, erinnert sich das Ehepaar.
Für die drei Kinder der Bruns’ sei das Aufwachsen in der Straße eine Idylle gewesen, gerade auch mit Schlägers Teich vor der Haustür: „Ich war ein eingefleischter Schlittschuhläufer“, erzählt Bernd Bruns, „wenn das Eis dick genug war, waren alle Kinder der Straße auf dem Teich.“

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Ein Stück die Straße hinunter sitzt Monika Demberg auf ihrem Balkon und genießt die Mittagssonne – und den Blick auf ihren Garten, der ebenfalls sanft den Hang hinabfällt. „Ich liebe den japanischen Stil“, sagt sie, „mindestens zwei Stunden verbringe ich jeden Tag in meinem Garten.“
Dass die 67-Jährige auch sonst sehr aktiv ist, sieht man sofort: Im Eingangsbereich stehen ein Mountainbike und eine ganze Reihe farbenfroher Turnschuhe. „Ich gebe ab und zu eine Tennisstunde – früher war das mal mein Hauptberuf.
Ein Stück Japan am Waldrand
Ich bin durch die Republik gereist und habe mich schlagen lassen.“ Eigentlich aber ist Monika Demberg gelernte OP-Schwester – und so kam sie auch nach Hameln. „Mein Ex-Mann ist Mediziner. Wir beide wollten aus Göttingen weg.
Für Hameln sprachen mehrere Gründe: Mein Ex-Mann kommt aus Minden, ich selbst bin in Stadtoldendorf aufgewachsen, wir hatten also unsere Familien in der Nähe. Und der Chef meines Mannes hatte auch gerade eine Stelle in Hameln angenommen.“

Als Krankenhausmitarbeiter, die in den 1970er Jahren häufig Beamte waren, wurde auch Monika Demberg und ihrem damaligen Mann ein Grundstück in der Gerhart-HauptmannStraße zum Kauf angeboten. „1976 zogen wir ein.“ „Meine Tochter war früher immer so ’ne Wanderschnecke, die ist die Straße runter – und von unten hat sie jemand wieder hochgebracht“, erzählt Demberg.
Für mich ist dieses Wohngebiet das schönste von Hameln!
Monika Demberg
„Für mich ist dieses Wohngebiet das schönste von Hameln!“ Und wenn es ihr mal zu ruhig wird, gibt es zwischen ihrem japanischen Garten und dem Waldrand noch den Bolzplatz mitten im Grünen, auf dem oft Kinder spielen oder Schulklassen zelten. „Das finde ich schön.“
Jetzt allerdings sei es ruhig geworden. Demberg nimmt kein Blatt vor den Mund, auch nicht, wenn es um ihre Nachbarschaft geht: „Die Akademiker halten sich immer ein bisschen zurück“, antwortet sie auf die Frage nach nachbarschaftlicher Hilfe. „Die können andere Dinge, aber keine Steine schleppen.“ Sie lacht. „Aber ich lebe sehr, sehr gern hier“, sagt die 67-Jährige.

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Die Geschichte der Straße
Ursprünglich war das Gebiet östlich „Am Schöt“ vor allem landwirtschaftlich genutzte Fläche. Die Stadt kaufte das Areal, um dort ein Schwimmbad, das Nordbad, zu errichten. Später entschied man sich dann doch für das Südbad an der Fluthamelstraße – und die heutige Gerhart-Hauptmann-Straße wurde als Baugebiet für Eigenheime erschlossen. 1973 bekam sie zunächst den Namen Hauptmannstraße, 1979 wurde sie in Gerhart-Hauptmann-Straße umbenannt.
Nachgezählt
- 286 Meter lang
- 12 Meter Höhenunterschied zwischen niedrigstem und höchstem Punkt
- 60 Anwohner: 29 Männer, 31 Frauen
- Davon 7 Einwohner unter 18 Jahren: 2 Jungen, 5 Mädchen
- 1 Hund
- 4 Gewerbetreibende
- Hausnummern von 1 bis 33
- 3 angrenzende Straßen: Am Schöt, Wilhelm-Raabe-Straße, Grothstraße
- Dauer, um von einem Ende zum anderen zu gehen: dreieinhalb Minuten



