Um zum Galgenberg zu kommen, muss man Hameln für wenige Sekunden verlassen. Der Weg dorthin führt an der Springer Landstraße (B 217) am Ortsausgangsschild vorbei. Hinter der Ampel rechts geht es dann wieder hinein nach Hameln. Noch einmal nach rechts und man ist da. Der Galgenberg liegt am Rande der Stadt, aber doch zentral. Zwei Bushaltestellen sind gleich um die Ecke, ein Kindergarten und die nächste Einkaufsmöglichkeit nicht weit weg. Mehrmals in der Woche kommt ein Wagen, der Lebensmittel verkauft.

Fast wirkt es so, als wäre hier ein abgeschlossenes Stadtviertel. Und tatsächlich, die Gegend rund um die Straße lag früher nicht nur am Rande der Stadt, sondern vor den Toren der Stadt. Bis zum 18. Jahrhundert wurden hier Hinrichtungen vollzogen, das Gebiet ist erst seit Anfang des letzten Jahrhunderts bewohnt. Galgenberg und Wasserturm, die zwei Parallelstraßen, bildeten lange Zeit eine Einheit, waren bis in die 1950er Jahre hinein vom Hamelner Stadtgebiet abgetrennt. Noch heute wohnen viele Familien der ersten Jahre am Galgenberg.
Wilhelm Gilly hält dabei den Rekord. Geboren wurde er 1935 und ebenso lange ist die Straße am Rande der Stadt sein Zuhause. Als Kind erlebte er dort mehrere Bombenangriffe, denn die Gegend um den Galgenberg war wegen der Nähe zum Güterbahnhof ein häufiges Ziel der Kampfflieger. Es konnte vorkommen, dass man nach der Schule gar nicht erst nach Hause ging, sondern gleich den Bunker ansteuerte, erinnert sich Gilly.
Seine Frau Renate lebt seit der Hochzeit im Jahr 1956 am Galgenberg. Das Leben hier gefällt den Gillys im Grunde sehr gut, wenn es nur nicht das Problem mit ihrem Garten gäbe. Dieser liegt nämlich direkt an der vielbefahrenen Bundesstraße 217. Lange könne man sich dort nicht aufhalten, beklagt Renate Gilly und ihr Mann fügt halb im Scherz, halb im Ernst hinzu: „Am späten Abend, da geht das ganz gut.“ Auch ihre Nachbarin, Traute Hundertmark, die an diesem Nachmittag im Juli gerade und wie so oft bei den Gillys zu Besuch ist, kennt das Lärmproblem. Am Sonntagmorgen sei es auch noch auszuhalten, weiß sie aus Erfahrung.
Viele setzen hier ihre Hoffnung auf die Südumgehung
Das Problem des Straßenlärms, der von der B 217 herüberdringt, kennt auch Elke Kernchen. Ihre Familie hat jedoch Glück, sie wohnt auf der anderen Straßenseite. Dennoch setzt auch sie, wie das Ehepaar Gilly, große Hoffnungen auf die Südumgehung und klagt: „Jedes Klein-Kleckersdorf kriegt eine Umgehungsstraße, nur wir nicht.“
Familie Kernchen ist vor 15 Jahren vom Klütviertel an den Galgenberg gezogen. Das Haus, in dem sie wohnen, wurde ebenso wie das der Gillys bereits 1932 erbaut. Dass sie in einer geschichtsträchtigen und traditionsbewussten Straße lebt, hat Familie Kernchen bereits mehrfach gespürt. Damals beispielsweise, als bei der Dachrenovierung eine Ausgabe von „Mein Kampf“ im Gebälk gefunden worden ist. Oder das eine Mal, als plötzlich der Sohn des früheren Besitzers vor der Tür stand und sich sein ehemaliges Elternhaus anschauen wollte.
Das Zusammenleben in der Straße ist harmonisch, das wird aus Elke Kernchens Erzählungen deutlich. Allerdings kenne man längst nicht alle Anwohner gut. Kontakt gebe es vor allem in der unmittelbaren Nachbarschaft, wo viele bereits seit Jahrzehnten wohnten.

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In den Reihenhäusern am Ende der Straße wechselten die Bewohner jedoch sehr häufig. Immer dann, wenn die Straße bis vorn vollgeparkt sei, gebe es hinten wieder neue Anwohner, so ihr Eindruck. Der Galgenberg ist auch als „Bahnersiedlung“ bekannt. Weil die Straße nah am Güterbahnhof und den anderen Bahnanlagen liegt, lebten von jeher viele Eisenbahner hier.
Die Wohnblöcke am Ende der Straße wurden ursprünglich speziell für die Bahnmitarbeiter gebaut. Auch in der Familie von Edeltraut Baer gab und gibt es Eisenbahner. Ihr Enkel arbeitet heute als Lokführer, ihr Großvater war bei der Bahn – und ihr inzwischen verstorbener Mann hatte im Keller in liebevoller Kleinarbeit eine Modelleisenbahn errichtet. Ausgangspunkt war ein Tapeziertisch, mittlerweile erstrecken sich die Gleise über mehrere Tische im gesamten Raum.
Schmuckstück des Gartens ist die Königin der Nacht
Die Modellbahn sei das Metier der Männer, betont Baer. Sie selbst verbringt lieber viel Zeit in ihrem Garten. Weil sich das Haus am Galgenberg immer in Familienbesitz befunden hat, sind einige ihrer Pflanzen mehrere Jahrzehnte alt und bereits von ihrer Mutter versorgt worden. Zu ihrer Sammlung gehören zahlreiche Kakteen und zwei vierzig Jahre alte Rhododendren.
Schmuckstück der Sammlung ist allerdings die Königin der Nacht, die in diesem Jahr einen neuen Platz erhalten hat und bislang eine Knospe trägt. Die Gärten auf der linken Seite des Galgenbergs liegen dicht beieinander und im Gegensatz zu den Grundstücken an der B 217 herrscht hier eine idyllische Ruhe.











Früher wurde hier Menschen hingerichtet
Der Name verrät es: Am Galgenberg gab es früher eine Hinrichtungsstätte. Bebaut war das Gebiet bis in die 1920er Jahre hinein noch nicht. Die Besiedlung begann um 1930, mit den Häusern des Bundes der Kinderreichen. Ab 1932 entstehen viele weitere Einfamilienhäuser. Lange Zeit endet die Straße als Sackgasse. Das ändert sich mit der Errichtung der Verbindungsstraße zwischen Wasserturm und Galgenberg, dem Hessenanger, und der Verlängerung in den 1950er Jahren.





Nachgezählt
- 392 Meter lang
- 179 Anwohner: 94 Männer, 82 Frauen
- davon 19 Einwohner unter 18 Jahren: 8 Jungen, 11 Mädchen
- 12 Hunde
- 1 Zigarettenautomat (noch intakt)
- 0 Gewerbetreibende
- 1 Kurve
- 1 HSV-Flagge
- 4 Reihenhäuser
- 1 Telefonzelle (um die Ecke an der Liebigstraße)
- 1 Fußgängerbrücke
- 30 ist die Höchstgeschwindigkeit, die hier gefahren werden darf.





